Darwins Alptraum
Darwin’s Nightmare
Österreich | Kanada | Frankreich | Belgien 2004
FSK: ab 12 Jahren
Länge: ca. 106 Min.
Studio: Mille Une Productions
Vertrieb: Sunfilm Entertainment
Filmzine-Review vom 05.12.2005
Dass sich Darwins Konzept vom Überleben des Stärksten hin und wieder auf schreckliche Weise bewahrheitet, zeigt der Österreicher Hubert Sauper in seinem Dokumentarfilm Darwins Alptraum. In den 60er Jahren setzte ein ahnungsloser Regierungsbeamter im Viktoriasee ein paar Exemplare des dort nicht heimischen Nilbarsches aus – mit ungeahnten Folgen. Die Riesenfische fraßen fast alle anderen Fische auf und sorgten für das Aussterben von über 400 Arten. Die Kehrseite: In Mwanza entstand eine riesige Fischfabrik, denn das Filet lässt sich prima nach Europa verkaufen. Täglich starten Flugzeuge mit 50 Tonnen Nilbarsch an Bord Richtung Norden, es entstanden 10.000 neue Arbeitsplätze. Im Gegenzug wurden jedoch 8-mal so viele Einheimische beschäftigungslos, denn den Fischern wurde ihre Existenzgrundlage genommen. Das Paradoxon liegt auf der Hand: aus einem Land, in dem die Bevölkerung eine Hungersnot nach der nächsten erleidet, wird Nahrung exportiert. Für die Einheimischen bleiben die anfallenden Fischreste übrig, die sie – in Bergen von Maden und faulem Fischfleisch watend – zum Trocknen aufhängen. Es fehlt an medizinischer Versorgung, Aufklärung, Nahrung, Arbeit, Perspektive. In Mwanza kämpfen Straßenkinder, Prostituierte und eine unsäglich arme Bevölkerung täglich ums pure Überleben. Nach Bestechung mit reichlich Wodka erzählen die überwiegend russischen Piloten Sauper von den „Importgütern“, die sie ins Land bringen, denn die Flieger haben keinesfalls nur UN-Hilfsgüter geladen, sondern beliefern ganz nebenbei die Krisengebiete des Kontinents mit Waffen, Munition und Bomben aus westlichen Ländern.
Ohne einen erläuternden Kommentar aus dem Off und ohne den Versuch, Lösungen zu präsentieren, die wohl ohnehin nicht existieren, lässt Sauper die Betroffenen selbst erzählen und baut so eine unmittelbare Nähe des Zuschauers zum Geschehen und zu den einzelnen Personen auf. Die Parallele der Dominanz des Raubfisches zur Macht der Industrienationen ist nicht zu übersehen. Das 24-seitige Booklet bietet etliche Hintergrundinformationen, u.a. erfährt man dort, dass ein Großteil des Produktionsbudgets für Bestechungsgelder aufgewendet werden musste, denn immer wieder wurde die Ausrüstung der Filmemacher beschlagnahmt.
Ninas Filmwertung
Unbequem, unglaublich, erschütternd, wichtig: ein leider absolut realer Horrorfilm.
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