Finding Vivian Maier
USA 2013
FSK: ohne Altersbegrenzung
Länge: ca. 80 Min.
Studio: Ravine Pictures
Vertrieb: EuroVideo
Filmzine-Review vom 09.10.2014
Schon mal von Vivian Maier gehört? Eine Ikone auf dem Gebiet der Street Photography… keine Kinder, nie verheiratet, einsam gestorben, ohne dass die Öffentlichkeit jemals auch nur ein einziges ihrer Fotos gesehen hat…? Klingt erstmal nicht sonderlich spannend. Warum also sollte man sich eine Doku über das Leben dieser Frau ansehen? Ganz einfach: weil John Maloofs Finding Vivian Maier von der ersten Minute an fasziniert.
Der Student ersteigert auf einer Auktion eine Kiste voller Negative, weil er historische Fotos für eine Hausarbeit braucht. Schon nach der ersten Handvoll Fotos, die eingeblendet werden, klappt einem als Zuschauer die Kinnlade runter: Straßenszenen und Portraits aus dem Chicago und New York der 50er und 60er – mit einem einzigartigen Blick für Komposition, Perspektive, Lichtwirkung, und vor allem mit einem Gespür für besondere Momente und das Bizarre – allesamt absolut perfekt festgehalten. Maloof ließ sich die Qualität der Fotos von Experten bestätigen, kaufte den anderen Bietern der besagten Auktion ihre erstandenen Kisten ab und stieß inmitten der mehreren Hunderttausend Fotos, Filme und Audio Tapes, die er nun besaß, auch auf den ein oder anderen Namen. Unermüdlich versuchte er diese Personen, die Vivian Maier gekannt haben mussten, ausfindig zu machen.
Eine Überraschung erfährt Maloof gleich zu Anfang: Maier war gar keine Fotografin, sondern Kindermädchen. In Interviews mit ihren ehemaligen Arbeitgebern und deren inzwischen erwachsenen Kindern will er mehr über die Frau herausfinden, die von den meisten als „mysteriös“ oder auch als „sonderbar“ beschrieben wird. Eine offenbar angeknackste Psyche und ein Hang zum Morbiden kommen ans Tageslicht (so unternahm die Nanny mit einer Interviewpartnerin beispielsweise früher Ausflüge zum Schlachthof oder in die Armenviertel der Stadt). In Kombination mit einem offensichtlichen Dokumentationswahn und Sammelzwang entsteht ein vages Bild einer Frau, die neben einem umfangreichen Vermächtnis an Zeitdokumenten auch viele Geheimnisse hinterlässt. Maloofs „kleines Projekt“ verselbstständigte sich irgendwann – mittlerweile stehen die Menschen vor den Galerien in den Metropolen der Welt Schlange, um Vivians Fotos zu sehen. Doch am emotionalsten war wohl die Ausstellung, die Maloof in ihrem 250-Seelen-Heimatort in den französischen Alpen veranstaltete. Somit muss unser Respekt nicht nur der Fotografin gelten, sondern auch dem engagierten jungen Mann, dessen Ehrgeiz und unermüdlichem Eifer (das ihm unbekannte Dorf fand er durch Abgleichen des Kirchturms von Vivians Fotos mit Google-Fotos von französischen Dörfern) es zu verdanken ist, dass das Werk von Vivian Maier die Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient hat.
Als Bonus kann man sich einen 8mm-Film ansehen, den Vivian Ende der 60er in Chicago gedreht hat – was dabei ihre Aufmerksamkeit erregt (Pornokinos, übergewichtige Personen, ungewöhnliche Accessoires) zeigt ein wenig, wie sie getickt hat und mit welchem Blick sie nach Motiven suchte.
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