Gangs of New York (Special Edition – 2DVDs)
USA 2002
FSK: ab 16 Jahren
Länge: ca. 160 Min.
Studio: Miramax Films
Vertrieb: Splendid Entertainment
Filmzine-Review vom 17.10.2003
Das hatte sich Martin Scorsese sicherlich anders vorgestellt: Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung wurde sein Epos Gangs of New York zwar mit Nominierungen überschüttet, doch der wohl anerkannteste amerikanische Filmemacher unserer Zeit ging wie einst Steven Spielberg mit seiner Farbe Lila leer aus. Der arme Marty saß fassungslos in seinem Stuhl und musste mit ansehen, wie vermeintliche Außenseiter jede einzelne Trophäe wegschnappten. Dabei verfügt Gangs of New York über sämtliche Zutaten eines großen, epischen Meisterwerkes. Schon die von Kameramann Michael Ballhaus perfekt fotografierte Anfangssequenz ist atemberaubend: Im umkämpften New Yorker Stadtteil Five Points zieht Liam Neeson als geistlicher Anführer der irisch-katholischen „Dead Rabbits“-Bande mit seinen Mannen in einen blutigen Straßen-Kampf gegen Bill „The Butcher“ Cuttings (Daniel Day-Lewis) und seine „Nativists“. Die verheerende Niederlage der Dead Rabitts gipfelt in dem brutalen Tod des Priesters, der unter den Augen seines Sohnes Amsterdam von Cuttings erschlagen wird. Jahre später, Amerika befindet sich mittlerweile auf dem Höhepunkt des Sezessionskrieges, kehrt Amsterdam (Leonardo DiCaprio) zurück nach Five Points und sinnt auf Rache. Der „Butcher“ ist inzwischen uneingeschränkter Herrscher des Viertels und arrangiert sich mit korrupten Politikern, die aus der elenden Not der irischen Einwanderer Kapital schlagen…
Die eigentlich simple Rachegeschichte dient Scorsese lediglich als Aufhänger für ein wahrlich grausames Amerikabild des vorletzten Jahrhunderts. Er räumt mit dem verherrlichten „Schmelztiegel“-Mythos auf und zeigt die Straßen New Yorks als fortwährenden Kampf ums nackte Überleben. Über allem thront die faszinierende Figur des Schlachters. Der vielleicht charismatischste „Bad Guy“ der letzten Jahre wird von Daniel Day-Lewis derartig intensiv und monströs verkörpert, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Nicht-Berücksichtigung bei der Oscar-Verleihung ist der wohl unglaublichste Witz, seit Pulp Fiction gegen Forrest Gump das Rennen um den besten Film verloren hat. Wann immer Day-Lewis zu sehen ist, verblassen die anderen Darsteller, das gilt leider auch für Leonardo DiCaprio in der Rolle des Rächers und insbesondere für Cameron Diaz, die in Popcorn-Filmchen wie Drei Engel für Charly besser aufgehoben zu sein scheint. Weitere Schwächen? Abgesehen von dem unpassenden Titelstück von U2 („These Are The Hands That Built America“) so gut wie keine. Ab und zu ruckelt die Story, da spürt man, dass Gangs of New York in der Urfassung eine Stunde länger war. Gerüchte um den Original-Director’s Cut halten sich hartnäckig. Ob sich Scorsese allerdings noch mal aufraffen kann, seinen bei der Kritik zwiespältig aufgenommenen Film ein zweites Mal herauszubringen, bleibt abzuwarten.
Die von Splendid Entertainment herausgegebene Gangs of New York-DVD bietet alle Vorzüge einer rundum empfehlenswerten Special Edition. Wenngleich das Prädikat „Referenzklasse“ minimal verfehlt wird, zeigt die DVD den Film in hochwertiger Bild- und Tonqualität. Der Audiokommentar mit Regie-Gott Scorsese entpuppt sich zwar als zusammengeschnittenes Interview, ist aber für Cineasten nichtsdestotrotz eine wahre Fundgrube an Informationen. Auf der Bonus-Disc werden ein paar schöne Features über die Dreharbeiten angeboten, u.a. ein virtueller Spaziergang durch die Sets in den berühmten Cinecittà-Studios von Rom und eine historische Dokumentation über die wahre Geschichte der Five Points.
Marcs Filmwertung
Amerikas Geburtsstunde als episch-brutales Filmspektakel mit einem sensationellen Daniel Day-Lewis.
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Leserwertung
Cast & Crew
Schauspieler: Brendan Gleeson, Cameron Diaz, Daniel Day-Lewis, Henry Thomas, Jim Broadbent, John C. Reilly, Leonardo DiCaprio, Liam Neeson
Musik: Howard Shore
Produzent(en): Alberto Grimaldi, Harvey Weinstein