© Senator Home Entertainment
Sicko (2 DVDs)
USA 2007
FSK: ab 12 Jahren
Länge: ca. 118 Min.
Studio: Dog Eat Dog | Weinstein Company
Vertrieb: Senator Home Entertainment
Filmzine-Review vom 09.05.2008
Das US-Gesundheitssystem mit marode zu umschreiben, ist fast schon eine Untertreibung: Knapp 50 Millionen Amerikaner können sich keine Krankenversicherung leisten und selbst diejenigen, die Monat für Monat teure Beiträge zahlen, sind im Notfall keinesfalls automatisch geschützt. Auftritt Michael Moore: Nachdem er in Bowling For Columbine die laschen Waffengesetze anprangerte und in Fahrenheit 9/11 George W. Bush einen filmischen Tritt in den Hintern verpasste, knüpft er sich in Sicko nun das auf Profitmaximierung getrimmte Gesundheitswesen vor. Anhand tragischer Einzelschicksale verdeutlicht der Dokumentarfilmer die Folgen der skrupellosen Ideologie der gierigen Versicherungskonzerne. Da wäre der Heimwerker, der sich bei einem Arbeitsunfall zwei Finger abgesägt hat und sich nun entscheiden muss, ob er den Ringfinger oder den (wesentlich teureren) Zeigefinger wieder annähen lassen möchte. Oder das ältere Ehepaar, das aufgrund mehrerer hoher Krankenhausrechnungen Hab und Gut verkaufen musste und nun in der Abstellkammer der Tochter einquartiert wird. Nicht minder schockierend sind die Bilder einer älteren Patientin, die von einem Krankenhaus per Taxi völlig orientierungslos auf offener Straße ausgesetzt wird, da sie ihr Kostenbudget überschritten hat. Eine Praxis, die in Los Angeles längst zur Tagesordnung gehört. Auch Hillary Clinton kriegt ihr Fett ab: Die Senatorin sollte während der Clinton-Administration eigentlich das Gesundheitssystem reformieren, ihre Health Care-Gesetzesvorlage blieb allerdings auf der Strecke, mittlerweile wird sie und ihre Präsidentschaftskampagne vom Gesundheitswesen mit hohen Spendengeldern unterstützt… Im Gegensatz zu seinen früheren Werken bleibt Moore zunächst dezent hinter der Kamera, erst nach der Hälfte des Films tritt er auch persönlich in Aktion. Bei seinen Besuchen in Kanada und Europa (u.a. bei einem Hausarzt in Frankreich und in einem Krankenhaus in England) findet er ungeahnte paradiesische Zustände vor, die den Unterschied zu Amerika umso krasser erscheinen lassen. Seinen cleversten Streich hebt Moore sich aber für den Schluss auf: Zusammen mit einer Gruppe kranker 9/11-Helfer fährt er in einem Boot nach Kuba, um so im Guantanamo-Lager dieselbe erstklassige medizinische und kostenlose Versorgung in Anspruch nehmen zu können wie die dort inhaftierten Al-Qaida Terroristen. Der Plan misslingt selbstverständlich, dafür werden Moore und seine Patienten umso freundlicher in einer kubanischen Klinik empfangen und behandelt. Erwartungsgemäß geht’s bei Sicko stellenweise arg polemisch und manipulativ zur Sache, trotzdem gelingt Moore wiederum eine brisante Doku, die hoffentlich die Diskussion über eine überfällige Gesundheitsreform in den USA anheizen wird.
Die sechs Featurettes auf der Bonus-DVD hätten auch perfekt in den fertigen Film gepasst, wurden aber wohl aus Zeitgründen rausgeschmissen. Interessant ist außerdem die umfangreiche Interview-Sektion mit vielen kompetenten Gesprächspartnern.
Marcs Filmwertung
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