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Systemsprenger

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Systemsprenger

D 2019

FSK: ab 12 Jahren

Länge: ca. 125 Min.

Vertrieb: EuroVideo Medien GmbH

Filmzine-Review vom 08.03.2020

An der 9-jährigen Benni beißt sich die Jugendhilfe die Zähne aus. Keine Pflegefamilie, keine Wohngruppe kommt mit dem Mädchen klar, das so oft unkontrolliert ausrastet, gewalttätig wird, spuckt, schreit und um sich schlägt. Schulbegleiter Michael, der eigentlich mit straffällig gewordenen Jugendlichen arbeitet, hat eine Idee: Drei Wochen will er mit Benni in seiner Waldhütte ohne Fernseher, ohne Strom, ohne andere Menschen verbringen, um sie wieder zu erden. Kurz keimt Hoffnung auf, doch dann stößt auch Michael an seine Grenzen und verliert die nötige Distanz…

Systemsprenger nach einem inoffiziellen Begriff aus der Jugendhilfe für Kinder, die mit den gängigen Angeboten und Programmen nicht erreicht werden können ist die zweite Regiearbeit von Nora Fingscheidt. Selten hallen Filme so lange in einem nach, doch die eindringliche Darstellung von Helena Zegel lässt einen tagelang nicht los. Systemsprenger ist ein emotional fordernder Film. Benni ist keinesfalls böswillig oder niederträchtig, sie ist hilflos, schutz- und vor allem liebesbedürftig. Sie sehnt sich nach stabilen Familienverhältnissen und nach ihrer Mutter, die sie vor einigen Jahren abgegeben hat. In den sporadischen Begegnungen mit der heillos überforderten Mutter ist Bennis Verzweiflung kaum zu ertragen ebensowenig wie die herzzerreißende Szene, in der sie mit Michael im Wald ein Echo erzeugen will und unaufhörlich „Mama! Mama!“ ruft. Ihre Wutausbrüche sind untermalt von wildem Punk, die Kamera wackelt hektisch und wird ebenso unkontrolliert wie Benni. Hier entwickelt der Film seine ganz eigene Sprache und Optik. Nora Fingscheidt hat sich bewusst gegen Klischees entschieden: Ihr Systemsprenger sollte kein Junge sein, nicht aus einer Hochhaus-Problemsiedlung stammen und keinen Migrationshintergrund haben. Eine einerseits nachvollziehbare Entscheidung, wenngleich sich mit dem blonden Mädchen möglicherweise leichter Sympathien erzeugen lassen. Mit Helena Zegel hat sie jedenfalls eine der wohl talentiertesten Jungschauspielerinnen überhaupt gefunden. So sehr man sich für den eignen Seelenfrieden ein Happy End für Benni wünscht, das gewählte offene Ende war die richtige Entscheidung für diesen großartigen deutschen Film.

 

Blu-ray Extras:

    • Interviews mit Helena Zengel, Albrecht Schuch, Menno Baumann (Professor für Intensivpädagogik) und Nora Fingscheidt (17 min)
    • Featurette mit Nora Fingscheidt und Menno Baumann (5 min)
    • Audiokommentar von Menno Baumann zu vier ausgewählten Szenen (9 min)
    • Trailer zu 3 weiteren Titeln
    • Wendecover

 

Ninas Filmwertung

Guckbefehl: Herausragend erzählter und noch besser gespielter deutscher Film, der lange nachwirkt.

Nina

Nina

Synchronisationsverweigerin. Steht auf Klassiker und hat eine Schwäche für Hitchcock, James Stewart und Cary Grant. Bevorzugt Independent-Kino und visuell aus dem Rahmen fallende Filme à la Tim Burton oder Wes Anderson.

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